"Das Labyrinth des Minotaurus" von Goody und BlackBolt

Kapitel 1

 

Mit leicht verengten Augen blickte General Spyros auf das Tal, das sich vor ihm ausbreitete und seine Soldaten, die mit drohend gesenkten Lanzen die Krieger des kleinen Dorfes in Schach hielten. "Es ist immer wieder das Gleiche mit diesen unzivilisierten Völkern - sie können nicht einsehen, daß unsere Kultur die Bessere ist und daß sie uns für die Ehre, unsere Vasallen zu sein, Abgaben schulden." Der Unteroffizier nickte nur, denn er war der gleichen Meinung - und als sein General ihm befahl, anstatt der verlangten zwanzig Rinder und fünzig Schafe lieber zwanzig junge Frauen und fünfzehn Jünglinge zu holen, nickte er nur und gab den Befehl an seine Soldaten weiter, die sich sofort daran machten, ihn auszuführen ... wenn nötig, auch mit der Härte, die es dazu brauchte.

Die Menge an jungen Leuten war ein harter Schlag für das Dorf, und einige Mütter klammerten sich verzweifelt an Söhne und Töchter, die grob von ihnen weggerissen wurden. Als einer der Soldaten auf Athors kleinen Bruder zuging, knurrte der junge Krieger und sein Vater musste ihn zurückhalten, damit es kein Blutbad gab. Denn das würde es geben, wenn Athor eingriff, und dann wäre der gesammte Stamm zum Tode verurteilt. " Ich werde dich befreien, Tarka, das verspreche ich ... dich und die Anderen." Es ging alles gegen seinen Beschützerinstinkt - er hatte immer auf Tarka aufgepasst, und jetzt sollte er ihn einfach so gehen lassen, obwohl man ihn opfern wollte.

Doch die Soldaten achteten nicht auf die verzweifelten Rufe der Frauen und fesselten die erbeuteten Sklaven an lange Stangen, ehe sie abzogen und der General zufrieden den Befehl gab, das Heer weiter zu dem nächsten Dorf ziehen zu lassen, das Abgaben schuldete. Sie waren gut genug bewaffnet und zu zahlreich, als daß sie einen Vergeltungsschlag dieser Barbaren fürchten mußten - und auch mit der Last der vielen Karren, in denen der Tribut befördert wurde, kamen sie gut voran und blieben weiterhin unangreifbar. Der alte Schamane des Dorfes seufzte leise, als er das Leid der Menschen sah ... doch dann wandte er sich zuerst an den Häuptling, der seinen älteren Sohn zurückhielt. "Bitte sprich zu ihnen, mein Häuptling - sie brauchen dich jetzt. Und du, junger Krieger ... zügle deinen Zorn, du wirst ihn noch brauchen können. Komm mit mir mit, wir müssen reden."

"Aber ... also gut." Athor wusste, daß er dem Schamanen besser nicht widersprach und er folgte ihm widerwillig in dessen Hütte, während sein Vater mit dem Stamm sprach. "Was hast du zu sagen, Schamane ?"

Der Alte hatte sich schon gedacht, daß Athor fragen würde, sobald sie in seiner Hütte angekommen waren und er grummelte kurz, ehe er sich auf einen Stuhl setzte, um seine alten Knochen zu entlasten. "Direkt wie immer, junger Krieger - und wie immer schaltest du deinen Kopf aus, wenn dein Herz erzürnt ist. Ich habe dies alles in einem Traum gesehen, doch ich wußte nicht, daß es dieser Tag war. Die Götter sind sehr wankelmütig in ihrer Gunst ... ich sah es nur kurz, denn der Traum konzentrierte sich auf etwas völlig anderes. Nämlich dich, Athor - und deshalb habe ich dich hergeholt."

"Schön, darf ich dann bitte erfahren, was ich damit zu tun habe ?" Athor tigerte in der Hütte hin und her, und blickte immer wieder raus. Es zog ihn weg, um seinen Bruder und die Anderen zu befreien.

Doch der Alte schnalzte nur mißbilligend mit der Zunge und schlug dem unruhigen jungen Krieger mit seinem Schamanenstab auf den Kopf. "Setz dich endlich hin - du machst mich noch kirre mit deinem Hin- und Hergerenne !" Erst, als Athor sich ebenfalls gesetzt hatte, nickte der Alte und seufzte leise. "Ich habe dir doch schon gesagt, daß du endlich einmal deinen Kopf einsetzen sollst, oder ? Wie willst du unsere Leute befreien, wenn sie von einem riesigen Heer ausgebildeter Soldaten bewacht werden ? Sie rechnen doch nur damit, damit sie unser Dorf dem Erdboden gleichmachen und uns alle töten können. Nein, es muß anders gehen ... die Götter haben es mir in meinen Träumen gezeigt." Der Alte seufzte leise, denn die Ungeduld Athors schien mit seinen Worten noch zu steigen, so daß er wieder fortfuhr. "Sie wollen einige von uns dem Monster opfern, das die Priester ihres obersten Gottes für den König gezeugt haben. Die Träume waren in einigen Dingen sehr deutlich, und das ist eines davon: Zuerst mußt du dieses Monster töten, Athor - denn dann können sie ihm nicht mehr geopfert werden. Doch die Götter warnten mich in dem Traum: Es ist nicht Gewalt, die du dazu brauchst, sondern dein Herz, und deine innere Kraft und Wildheit - und vor allem dein Verstand, auch wenn du ihn nur zu oft vergißt. Und sie sagten mir, daß du aus dem Labyrinth einen Verbündeten bringen wirst, der dir hilft, unsere Leute und damit auch deinen Bruder zu befreien ... auch wenn sie mir nicht sagten, wen sie damit meinten. Hast du verstanden, was ich dir sage, junger Krieger ?"

"Ähm ... nur ein Bisschen." Athor war da ehrlich, er hatte nicht alles verstanden, und gab es auch offen zu. "Muss ich allein rausfinden, was du meinst ?" Es würde dem Schamanen ähnlich sehen, daß er so etwas einfädelte.

Der Alte schmunzelte nur und neigte sich näher, um erneut - doch ein wenig sanfter - mit seinem Stab auf den Kopf des jungen Kriegers zu klopfen. "Natürlich ? Die Götter sind immer sehr vage, wenn es um eindeutige Aussagen geht ... ich darf dir nur sagen, was ich dir schon gesagt habe. Du mußt zuerst in die Hauptstadt des griechischen Königs Argyros und in das Labyrinth unter dem heiligen Berg, um das Monster zu töten, dem dein Bruder geopfert werden soll. Doch dabei mußt du dein Herz, deine innere Kraft und Wildheit, und deinen Verstand gebrauchen - denn mit Gewalt wirst du nur erreichen, daß das Monster dich tötet. Und wenn du das Monster besiegt und vernichtet hast, sollst du im Herzen des Labyrinths einen Verbündeten finden und mit dir mitnehmen ... er wird dir helfen, deinen Bruder und die Anderen unseres Dorfes aus dem Heer der Griechen zu retten. Mehr kann ich dir nicht sagen, du mußt selbst erkennen, was die Worte der Götter bedeuten."

"Das habe ich befürchtet." seufzte Athor, und strich sich durch die langen Haare. Sie waren früh am Morgen überrascht worden, und er war nicht dazu gekommen, sie in einen Zopf zu binden. "Ich gehe aber gleich Heute los."

"Tu das - aber überstürze nichts, gebrauch deinen Kopf ! Nimm mit, was du brauchst, aber nicht zuviel ... laß dich von deinem Herz und deinem Verstand leiten, und nicht von deiner Wut. Hier, nimm diesen Beutel mit - in ihm sind Kräuter, Salben und auch Verbände, falls etwas passiert. Und nun laß mich in Ruhe, meine alten Knochen brauchen Schlaf nach all diesem Wirrwarr." Der Alte war müde und merkte langsam die Jahre, die er schon lebte ... und gerade wenn es so schlimm war wie jetzt, wollte er zumindest ein wenig Ruhe haben, ehe die Götter ihm wieder neue Träume schickten.

"Herz und Verstand ... na gut." murmelte Athor, und stapfte zu der Hütte seines Vaters. Zm Glück war keiner da, so konnte er seine Sachen packen und ihnen allen erst dann Bescheid sagen.

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Währenddessen hallten die lauten Stimmen der Wachen durch das Labyrinth des Monsters, das der griechische König gezeugt hatte. Kushna blickte von seiner Lagerstadt auf und schnupperte - er konnte die Angst des Opfers riechen und auch die Angst der Wachen, welche das Opfer zu dem tiefen Schacht führten, der in das Labyrinth hereinragte. Scharfe, nach unten gerichtete Holzspeere, die in den Wänden des Schachtes verankert waren verhinderten, daß der Bewohner des Labyrinths herausklettern konnte ... und Zu- und Abfluß des kleinen Baches, der ihm Wasser lieferte und eine Möglichkeit bot, den Abfall zu entsorgen, waren schwer vergittert. Ohne weiter zu zögern, stand der junge Mischling auf und schnaubte kurz, um den Geruch aus seiner Nase zu bekommen - dann brüllte er laut auf und begann zu dem Schacht zu laufen, denn er hatte viel zu großen Hunger, um noch an etwas anderes zu denken. Und wie er es erwartete, genügten sein Brüllen und das schwere Stampfen der breiten Hufe seiner Beine, daß das Opfer noch lauter schrie und die Wachen mehr Angst empfanden, so daß sie den Mann einfach den Schacht hinabstießen und wieder gingen, um am Eingang des Labyrinths Wache zu halten. Kushna achtete nicht auf den schmerzhaften Schrei, der ihm sagte, daß der Geopferte sich bei dem Fall etwas gebrochen hatte - denn es machte nichts, da er sie so oder so tötete und die Knochen brach, um an das leckere Knochenmark zu gelangen. Denn er bekam nichts anderes als diese Opfer ... oder manchmal auch Reste und Abfälle der Gelage, die zu Ehren der Götter abgehalten wurden. Und so zögerte er auch nicht lange und brach dem vor Angst schreienden Mann das Genick, ehe er damit begann, seinen Hunger an ihm zu stillen.

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Es hatte einige wenige Wochen gedauert, dann erreichte Athor den heiligen Berg. Er kam zumindest in dessen Sichtweite, da er ab jetzt vorsichtiger sein musste. Es war anstrengend gewesen, allein zu sein - allein mit den eigenen Gedanken, die sich mit den dummen Worten des Schamanen beschäftigten. "Wie soll ich im Inneren des Berges einen Verbündeten finden ?" murmelte er und schnaubte. "Pah !" Er stieg von seinem Pferd und band es an einen Baum, ehe er die Sachen von dessen Rücken herunterholte und überlegte, was er mit dem Tier machen sollte. Mit ihm das letzte Stück reiten war nicht möglich, also ließ er es frei und blickte sich ihm. Dann wandte er sich ab und schulterte sein Bündel, um das letzte Stück des Weges zu laufen.

Währenddessen murrten die beiden Wachen, die den Eingang in den Berg bewachten, vor sich hin. "Bei den Göttern - er kann doch nicht raus, nicht mit den Speeren im Schacht ! Wieso sollen wir dann Wache halten ... wir könnten doch viel besser im Heer dienen, oder in der Wache des Königs ! Stattdessen langweilen wir uns hier und ein jedes Mal, wenn dieses Monster brüllt, erschrecken wir halb zu Tode." Der große Krieger seufzte und setzte sich wieder an das wärmende Feuer, denn er hatte es satt, hier sein zu müssen. Die andere Wache nickte nur und aß einige Trauben, spuckte die Kerne in das prasselnde Feuer und blickte kurz nach draußen. "Ganz genau - aber die Priester bestehen darauf und auch darauf, daß die Wachen die stärksten Krieger sind. Als ob das wirklich nötig wäre, bei den Göttern !"

Das Meiste hatte Athor mitbekommen, und er überlegte kurz. Speere im Schacht klang irgendwie nicht gut, und scheinbar war es dort sehr tief. Er musste herabklettern, um sich nicht zu verletzen, und diese Wachen ? Die würde er schnell aus dem Weg räumen, so unvorsichtig, wie sie waren. Vor allem waren sie schreckhaft, denn sie zuckten wieder zusammen, als aus dem Tunnel ein Brüllen zu hören war.

Denn sie hatten das Monster sehen können, als sie einmal über dem Schacht geblieben waren - und alleine schon der Gedanke daran ließ sie erschauern. "Dieses Ding wird immer unersättlicher, mein Freund ... erst Gestern haben wir ihm ein Opfer hinabgeworfen, und schon brüllt es wieder. Er bekommt pro Woche ein Opfer, und dazu noch zwei Schafe oder ein Rind - oder wenn es kein Opfer gibt, sogar zwei Rinder, oder vier Schafe ! Reicht das nicht ?! Der alte Voskos meint, daß es noch schlimmer werden wird, weil das Monster noch wächst - es soll in den letzten Jahren immer mehr Fleisch gefressen zu haben, und die Priester sehen das als Zeichen, immer mehr der Verbrecher zu opfern." Der andere Wachmann nickte nur, doch dann seufzte er leise. "Aber wenn die Verbrecher ihm gefüttert werden, sind die Kerker nicht so überfüllt - du weißt doch, wie aufsässig die eroberten Barbaren werden. Und man kann nicht alle von ihnen verkaufen, sie sind so widerspenstig. So haben sie wenigstens einen Nutzen ..."

Die Worte machten Athor mehr als nur wütend, denn die Männer sprachen von seinem Volk und den benachbarten Stämmen, als wären sie nichts wert. Er zögerte nun nicht mehr lange und stürmte aus seinem Versteck, um dem einen der beiden im Überraschungsmoment seinen Speer in den Leib zu rammen. "Arroganter Abschaum !"

Die beiden Wachen erstarrten, als sie angegriffen wurden - denn Niemand wagte sich freiwillig zum Eingang des Labyrinths, in dem das Monster der Götter lebte. Doch als der erste Wächter röchelnd in die Knie sank und damit den Speer aus den Armen des Fremden riß, fing sich der zweite Wachmann und zog sein Kurzschwert, um es mit einem wütenden Schrei in die Brust des Angreifers zu stoßen.

Aber der wich beiseite, und schlug den Wachmann einfach nieder. Athor schnaubte leise und spuckte auf die Seite. "Die Besten, pah !" Er nahm das Schwert des Mannes, und rammte es ihm in die Brust. Tot war besser als benommen, und die Leichen würde er auch gleich entsorgen. Wenn das Monster satt war, konnte er es leichter besiegen - denn ein voller Bauch machte träge. Also nahm er zuerst den einen Mann und warf ihn in den Schacht, und dann den Anderen.

Zuerst geschah nichts ... doch nach einigen Augenblicken hörte man ein wütendes Schnauben und schließlich ein markerschütterndes Brüllen, das von den Wänden der Höhle widerhallte und durch sie noch verstärkt wurde. Das Licht der Feuerschalen erhellte zwar die Höhle, doch es drang nicht völlig bis zum Grund des Schachts und so sah man nur einen riesigen Schatten, der noch größer wurde und schließlich mit einem erneuten Schnauben und einem tiefen Knurren bei den Leichen stehenblieb. Kushna wußte, daß dies Wachen waren - und er wußte auch, daß oben noch ein Mann stand, dessen Geruch auch an den Leichen haftete. Ohne weiter zu zögern, packte der Mischling eine der Leichen und warf sie mit einem erneuten Brüllen in den Schacht hoch, so daß die Leiche an den nach unten zeigenden Holzspeeren aufgespießt wurde. Erst dann nahm der Mischling die andere Leiche auf und hob sie hoch, stampfte zurück in die Gänge des Labyrinths und hoffte, daß er nicht mehr gestört werden würde.

"Jetzt verstehe ich die Furcht ... aber ich muss ihn besiegen." Athor schauderte nur leicht und ging zum Lager der Wachen zurück, um deren Essen einzupacken. Dann nahm er eine Fackel und ein Seil, und kehrte zu dem Schacht zurück, um mit dem Seil hinabzusteigen. Er band es fest, und kletterte langsam hinab. Erst unten zündete er die Fackel an, und sah sich um. Eine frische Blutspur führte in einen der Gänge, und dieser würde er folgen. Aber er wollte auch den Weg markieren, und das tat er mit einem Stück Kohle.

Währenddessen brachte der junge Stiermischling die Leiche in seine Höhle, da er eigentlich satt war und sie erst am nächsten oder übernächsten Tag essen wollte. Doch etwas ließ ihn auf dem Weg dorthin innehalten: Es waren verräterische Geräusche und der Geruch des fremden Mannes, die ein leichter Wind durch die Gänge trug. Noch im gleichen Moment hob der große Mischling die Leiche an und knurrte dunkel, da Blut herabtropfte - doch er konnte es auch für sich nutzen und schlug einen anderen Weg ein, der zu einem toten Ende führte, ehe er die Wunde verdeckte und den Weg zurückging, um andere falsche Fährten zu legen. In den zehn Sommern, die er nun schon in diesem Gefängnis lebte, waren oft Krieger gekommen, die ihn töten wollten - und so war er vorsichtig geworden, warf die Leiche schließlich an eines der toten Gangenden und verbarg sich im Schatten einer Kreuzung, um auf den Mann zu warten.

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