"Das Labyrinth des Minotaurus" von Goody und BlackBolt

Kapitel 6

 

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Seither waren fast zwei Monde vergangen und Kushna wurde immer unruhiger, je näher sie dem Stamm Athors kamen. Auf ihrem Weg wurde ihr Zug auch kleiner, da die Gefangenen sich von ihnen trennten, sobald sie das Land ihrer Stämme erreichten ... und schließlich blieben nur noch die Gefangenen von Athors Stamm und sie kamen langsam in die Nähe ihres Gebietes. Kush blieb so gut wie immer unter dem großen Mantel, der ihn verhüllte - denn auch wenn Athor ihnen versicherte, daß er keine Gefahr war, so fühlte und roch er die Angst, die immer noch in den Menschen schlummerte und ein jedes Mal wieder herauskam, wenn er den Mantel für die Jagd auszog und sich zeigte. Doch er beklagte sich nicht, da Athor schon so viel Verantwortung trug und auch für seinen kleinen Bruder sorgte, blieb ruhig und genoß die wenige Zeit in der Nacht, wenn sie zusammenliegen konnten.

"Wir sind fast da ... dort hinter dem Hügel liegt unser Dorf." Athor war euphorisch, und lächelte Kushna munter an. Er hatte zuviel im Kopf gehabt um zu bemerken, wie Kushna sich fühlte, aber jetzt bemerkte er die Unruhe und fragte leise. "Du bist so unruhig, geht es dir gut ?"

Der junge Mischling antwortete nicht sofort, sondern wartete, bis die Anderen weitergegangen waren, ehe er leise seufzte und den Kopf senkte. Es war schwer, zu antworten - denn einerseits schämte Kush sich für seine Ängste und andererseits wollte er Athor nicht damit belasten. Doch der ehrlich besorgte Blick Athors sorgte dafür, daß Kushna ihm doch antwortete. "Ich ... nein. Ich habe Angst, Athor - Angst, daß die Krieger deines Stammes mich töten wollen, und ich meine Beherrschung verliere und sie verletze ... oder daß ich nicht aufpasse und Jemanden verletze. Daß sie mich nicht wollen und nur als das Monster sehen, das ich bin - oder daß sie dich dafür verantwortlich machen, oder daß sie es dir übelnehmen, daß du zu mir hältst. Und ich will nicht, daß du dir deshalb Sorgen machst, und noch mehr um den Kopf hast."

"Keiner wird etwas tun. Sie wissen, daß du zu uns kommst und sie wissen, daß du gut bist. Der Schamane hat es ganz bestimmt gesehen. Vielleicht haben sie ein wenig Furcht, aber das wird sich legen, wenn sie dich gut kennen. Das verspreche ich dir." Der Kleinere stoppte und umarmte Kushna, um ihn zu küssen. "Wir sind Gefährten, sie werden es akzeptieren."

Der Kuß überraschte Kushna sichtbar - doch noch mehr als das überraschten ihn diese Worte und er schluckte schwer, ehe er Athor eng an sich zog und weich in dessen Haar grollte. "Meinst du das ehrlich ? Daß wir Gefährten sind ?" Seine Frage war leise und man hörte ihm die Unsicherheit deutlich an, doch Kush wollte es wissen und hoffte, daß er es richtig verstanden hatte.

"Aber natürlich meine ich das ernst. Ich hätte es nicht gesagt, wenn ich es nicht so meine - wir werden zusammenbleiben. Ich möchte dich bei mir haben und hoffe, du mich auch ?" Athors Worte waren ernst, und die Hoffung auf ein Ja schwang mit.

Für einen Moment wurde die Umarmung Kushnas stärker - doch dann lockerte er den Griff seiner starken Arme wieder und schluckte schwer, ehe er sich soweit löste, daß er Athor in die Augen sehen konnte. "Ich habe es gehofft ... du bist der erste Mensch, der mich nicht als ein Monster sieht, und mir Nähe gibt. Ich fühle mich so wohl bei dir und möchte bei dir bleiben, wenn ich es kann. Auch wenn ich weiß, daß du eine Frau brauchen wirst, die dir Kinder schenkt." Er wußte zwar nicht viel, doch das wußte er genau: Daß es wichtig war, Söhne zu zeugen, die Krieger wurden und einem nachfolgen konnten.

"Das heißt aber nicht, daß wir keine Gefährten sein können." Für Athor war es so, und sein Stamm würde es auch so sehen. "Der Schamane hätte die Verbindung nie erlaubt, wenn es nicht richtig wäre."

"Euer Schamane muß sehr weise sein, anders als die Priester des Königs. Ich hatte immer Angst vor ihnen, da sie sehr mächtig sind und viele Möglichkeiten kennen, zu bestrafen. Ich hoffe, euer Schamane wird mich willkommen heißen ... auch wenn er es vorausgesehen und erlaubt hat, daß du mich befreist und mitnimmst, damit wir die Gefangenen befreien, heißt das noch lange nicht, daß er mich in eurem Stamm willkommen heißt." Kushna hatte noch immer Angst deswegen - und das würde sich auch nicht legen, ehe er diesen Schamanen gegenübertrat. Und dazu gab es noch immer das Problem mit einer Heirat, denn er konnte sich gut vorstellen, daß gerade jetzt nach dieser mutigen Befreiung besonders viele andere Häuptlinge daran interessiert waren, eine Allianz mit dem Stamm Athors durch eine Heirat zu erreichen.

"Er wird es erlauben ... und er wird sicher gleich als erstes mit dir sprechen. Hab keine Angst vor ihm, er ist gewiss nicht so wie die Priester, du kannst mir da vertrauen." Der Grünäugige sprach ernst, aber seine Augen waren ruhig und er küsste Kushna erneut zärtlich.

Ein Kuß, der den Großen sichtbar beruhigte und er hielt ihn auch so lange, wie es möglich war. Er löste erst die Lippen, als Athor wieder atmen mußte und lächelte, ehe er kurz nickte. "Ich vertraue dir und hoffe, daß es wirklich so ist. Die Sonne geht auf, wir werden bald gehen müssen, nicht wahr ? Damit wir viel Weg zurücklegen können."

"Ja, so ist es. Es tut mir leid, daß ich so wenig Zeit für dich habe ... ich bin froh, wenn wir im Dorf sind, dann wird alles wieder ruhig." Athor schmiegte sich noch etwas an Kushna, und seufzte wohlig. Er genoss die Nähe immer wieder, und auch jetzt tat er es und kostete es so lange aus, wie es ging.

So wie auch Kushna die Nähe immer wieder genoß. Gerade, weil er vor Athor niemals Zärtlichkeit oder Nähe genießen konnte und sich nur instinktiv danach sehnte ... und sie nun ohne Hintergedanken bekam, da der junge Mensch ihn mochte und es ihm einfach gab. Doch dann hörte der große Mischling, wie die anderen jungen Männer und Frauen aufwachten und lächelte, küßte den Häuptlingssohn noch einmal und löste sich schließlich von ihm, um den langen Mantel und auch die Leder um seine Hufe anzuziehen.

"Das musst du nicht mehr." Athor nahm Kushna die Bänder ab, die er sich um das Leder an den Beinen wickeln wollte, und legte es beiseite. "Wir sind so nahe, du musst seine Hufe nicht mehr verstecken."

"Wirklich ? Das wäre schön, ich habe immer so zu kämpfen, daß ich nicht ausrutsche, wenn sie an den Hufen sind." Gerade das war ihm immer ein wenig unangenehm gewesen, doch Kush wußte, daß es nötig gewesen war. "Wir sollten die Bänder und das Leder behalten, falls es wieder einmal nötig sein sollte, daß ich unter andere Menschen gehen muß." Dann stand Kush wieder auf und nahm den langen Mantel, um ihn um seine breiten Schultern zu legen und die Kapuze so weit vorzuziehen, daß sie zwischen seinen Hörnern das Geischt verdeckte. Die Anderen machten sich ebenfalls fertig und schirrten die Pferde an die Karren, damit sie weiterziehen konnten.

Auch Athor machte sich fertig. Gegen Abend würden sie im Dorf ankommen, und im Laufe des Tages würden sicher die ersten Späher zu ihnen stoßen. "Wenn die Späher kommen, musst du keine Angst haben - sie werden uns nicht angreifen und andere Stämme sind hier auch nicht unterwegs, es sind ganz sicher die Männer meines Stammes."

Kush nickte kurz, denn er vertraute Athor - und wenn dieser ihm sagte, daß die Späher keine Gefahr sondern Krieger seines Stammes waren, dann glaubte er es ihm auch. Doch es war gut, daß dieser es ihm gesagt hatte, da er durch seine guten Sinne sicherlich schon früh bemerken würde, daß die Krieger in der Nähe waren. Dann setzten sie sich jedoch in Bewegung und der junge Mischling ging an der Seite mit, achtete auf ihre Umgebung und auch darauf, daß die jüngeren Stammesmitglieder nicht zurückblieben.

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Gegen Abend erreichten sie endlich das Dorf. Wie erwartet, waren unterwegs die ersten Späher zu ihnen gestoßen und einige waren eilig vorausgeritten, um im Dorf Bescheid zu sagen. Und so kamen ihnen die ersten Frauen sofort entgegengelaufen und suchten nach ihren Kindern. Auch ein Essen war bereitet worden, damit sie alle endlich satt wurden. Athor blieb bei Kushna und lächelte, als die Kleinsten auf ihn zukamen und ihn mit großen Augen ankuckten.

Der junge Mischling trug zwar den langen Mantel mit der tiefliegenden Kapuze, doch trotzdem überragte er die anderen Männer des Stammes um einen Kopf oder mehr, auch Athor überragte er mit fast einer Kopflänge. Dazu war er sichtbar kräftiger und die beiden Hufe an seinen Füßen und die Hörner, die aus der Kapuze herausragten, machten aus ihm etwas völlig Unbekanntes. Bevor die Kinder jedoch etwas sagen konnten, kam der alte Schamane und lachte keckernd, als er Kushna sah - dann nickte er nur und kam näher, klopfte ihm kurz mit dem Schamanenstab ans Herz und hob dann die Kapuze mit der Spitze des Stabs, damit er Kush in die Augen sehen konnte. Für einen Moment wurde der Alte ernst und man spürte, daß er trotz seines hohen Alters noch sehr klug war ... und als er nickte und mit einem weiteren Keckern wieder ging, atmete Kush erleichtert aus. Für ihn war all das hier seltsam, neu und ein wenig beängstigend - denn er war es nicht gewohnt, so viele Menschen auf einmal zu sehen, und gerade daß er keine Möglichkeit hatte, fliehen zu können, steigerte seine Unruhe noch.

Aber dann ergriff Athor seine Hand und drückte sie sacht. "Hab keine Angst, sie sind nur neugierig und freuen sich, daß ihre Lieben wieder bei ihnen sind ... und einige trauern." Nicht alle hatten überlebt, und das trübte die Wiedersehensfreude ein wenig. Es würde trotzdem ein Fest geben - als Trauer, und als Willkommen zurück. Auch der Häuptling kam zu ihnen und umarmte Athor heftig. "Es ist gut, daß du zurück bist, ich habe es so gehofft." Er löste sich, und blickte schließlich zu Kushna auf. "Ich danke dir für deine Hilfe - willkommen in unserem Stamm." Er ließ es sich nicht nehmen, Kushna zu umarmen und so willkommen zu heißen.

Im ersten Moment erstarrte der große Mischling - doch dann hob er seine Arme und erwiderte die Umarmung kurz, ehe er die Arme verlegen wieder löste und kurz nickte. "Ich habe gerne geholfen, da Athor auch mir half und mir die Freiheit wiedergab. Ich bin froh, daß ich helfen konnte, die Gefangenen wieder zurückzubringen und dabei auch Rache an den Soldaten des Königs zu nehmen."

"Du bist hier bei uns willkommen und wie ich sehe, hat mein Sohn dich als Gefährten erwählt. Ja, ich sehe es an seinen Augen. Ich gestatte es, denn ich denke, unser Schamane hat auch nichts dagegen, sonst hätte er nicht so gekichert." Sie waren beide alt und kannten einander seit der Kindheit, und so wusste der Häuptling, daß der Schamane solch eine Verbindung guthieß. "Kommt, wir haben ein großes Essen vorbereitet, setz dich zu uns ans Feuer."

Man sah Kush an, wie verwundert er über die Worte des alten Häuptlings war - und als er kurz zu dem Schamanen blickte, der vor seiner Hütte saß, sah er ihn erneut breit grinsen. Wie es schien, wurde er hier wirklich angenommen und sie blickten sogar wohlwollend auf die Verbindung von Athor und dem Mischling ... und als dies wirklich in das Innerste Kushnas sank, lächelte er und schob verlegen die Kapuze nach hinten, so daß man sein Gesicht sehen konnte, während er den Arm um Athors Hüfte legte. "Ich danke dir ... es riecht sehr gut." Daß er lieber rohes Fleisch haben wollte, sagte Kushna nicht - denn es wäre unhöflich, und inzwischen hatte er auch gelernt, gebratenes Fleisch zu essen und es zu genießen.

Der Stamm wurde nun auch noch ruhiger, da Häuptling und Schamane Kushna willkommen hießen, und auch die Verbindung zwischen ihm und Athor erlaubten. "Siehst du, alles ist gut, du bist willkommen." Athor führte Kushna zum Feuer, und setzte sich mit ihn neben seinen Vater und den Schamanen, der ans Feuer kam und sich setzte. Sein Bruder war mit ihrer Mutter im Zelt, denn er und die anderen jungen Leute waren zu erschöpft und bekamen dort ihr Essen, damit sie liegen und sich erholen konnten.

Kushna nickte nur und lächelte wieder scheu, als er Athor folgte und sich neben ihn an das große Feuer setzte. Es war für ihn noch immer ungewohnt, unter so vielen Leuten zu sein - doch er konnte riechen, daß ihre anfängliche Angst sich gelegt hatte und er sah immer wieder ein leichtes Lächeln in den Gesichtern der Menschen, wenn sie zu ihm blickten. Irgendwie war es sehr friedlich, auch wenn der Stamm so groß war ... und der junge Mischling hoffte, daß es so blieb und er hier seinen Frieden und das Glück finden konnte, das er sich so lange schon gewünscht hatte.

Das hoffte auch Athor - denn Kushna hatte es verdient, ein schönes Leben zu haben, nachdem seine Kindheit und Jugend so schrecklich gewesen war. Er wollte dafür sorgen, daß nichts mehr passierte und hoffte, daß der König es sich überlegte, ob er jemals wieder hierherkommen wollte. Denn das würde ihm nicht guttun. Gegen einzelne Stämme hatte er es leicht, aber nicht, wenn sich alle zusammenschlossen - und dafür würde Athor sorgen. Nie wieder sollte Jemand so unterdrückt werden.

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